Wissenswertes zum Thema KASTRATION

§ 6 Tierschutzgesetz
Wegen der Übersichtlichkeit sehen wir uns hier nur die wesentlichen, eine Kastration betreffenden Punkte an. Wenn du dir § 6 (oder das Tierschutzgesetz insgesamt) in Gänze ansehen möchtest, kannst du das hier tun:
§ 6
(1) Verboten ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres. Das Verbot gilt nicht, wenn
- 1. der Eingriff im Einzelfall
a) nach tierärztlicher Indikation geboten ist oder
b) bei jagdlich zu führenden Hunden für die vorgesehene Nutzung des Tieres unerlässlich ist und tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen (nach allgemeingültiger Auslegung bezieht sich Punkt b) tatsächlich aufs Kupieren, nicht auf die Kastration!)
(...)
- 5. zur Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung oder - soweit tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen - zur weiteren Nutzung oder Haltung des Tieres eine Unfruchtbarmachung vorgenommen wird.
Ein Organ (also auch ein Geschlechtsorgan) darf nur dann entnommen werden, wenn es eine medizinische Indikation dafür gibt, also die ERKRANKUNG eines nicht lebenswichtigen Organs. Es gibt diverse Rechtsprechungen dazu, dass eine vorbeugende Entfernung ("was nicht mehr da ist, kann nicht mehr krank werden") KEINE medizinische Indikation darstellt.
Ebenso gibt es eine eindeutige Rechtsprechung bezüglich der Verhinderung unkontrollierter Fortpflanzung. Die einschlägigen Kommentare gehen davon aus, dass für einen in geordneten Verhältnissen lebenden Haushund die Kastration eben nicht das Mittel der Wahl ist, sondern ein entsprechendes Verhaltensmanagement.
Hinzu kommt, dass natürlich IMMER das Prinzip des minimalst invasiven Eingriffs gilt!
Das bringt uns zu den verschiedenen Möglichkeiten der Kastration von Rüde und Hündin.
Von Kastration spricht man übrigens immer dann, wenn das Geschlechtsorgan tatsächlich entfernt wird, und zwar sowohl beim Rüden als auch bei der Hündin! Eine Sterilisation bezeichnet hingegen die Unbrauchbarmachung der Geschlechtsorgane, wenn diese
im Körper verbleiben.
Man kann also swohl einen Rüden als auch eine Hündin kastrieren, ebenso wie man sowohl Rüde als auch Hündin sterilisieren kann. Die Binsenweisheit, dass eine Sterilisation Hündinnen betrifft und eine Kastration Rüden ist eben genau das, eine Binsenweisheit, aber anatonisch und chirurgisch schlicht falsch.
Wird ein Rüde kastriert, entfernt man die Hoden. Es werden keine Spermien mehr produziert. Auch die in den Hoden stattfindende Produktion der Geschlechtshormone fällt damit natürlich schlagartig weg.
Bei der Kastration einer Hündin entfernt man entweder nur die Eierstöcke aus dem Bauchraum (Ovariektomie) oder entnimmt bei einer sogenannten Totaloperation sowohl Eierstöcke als auch Gebärmutter (Ovariohysterektomie). Natürlich fällt auch hier die Produkten der Geschlechtshormone aus diesen Organgen weg.
Alle diese Eingriffe sind natürlich maximal invasiv!
Bei der weniger invasiven Sterilisation würden die Eileiter der Hündin unterbrochen werden (Oviduktomie) bzw. beim Rüden die Samenstränge (Vasektomie). Auf den Hormonhaushalt wird in diesen Fällen KEIN Einfluss genommen. Das heißt, eine Hündin wird weiterhin läufig, ein Rüde wird weiterhin verliebt sein. Es kann sogar weiterhin zum Deckakt kommen. Lediglich die Fortpflanzung wird verhindert.
Außerdem besteht natürlich noch die Möglichkeit der chemischen Fertilitätskontrolle (Kastrationschip für den Rüden, Spritzen für die Hündin). Ob dies nun als invasiver als eine Sterilisation anzusehen ist, ist Auslegungssache. Meiner Meinung nach ist das nicht der Fall. Denn auch hier wird massiv in den Hormonhaushalt des Hundes eingegriffen, was eben nicht nur auf geschlechtliche Aktivität Einfluss hat, sondern auch auf die anderen Vorgänge im Hundekörper, die durch diese Hormone gesteuert und unterstützt werden. Geschlechtshormone sind nämlich mitnichten nur für Sexualität wichtig.
Sicher ist aber, dass diese Art der Einflussnahme den Ernstfall sozusagen simuliert und daher - zumindest beim Rüden - als Testlauf vor einer tatsächlichen Kastration angewandt werden kann. Bei Hündinnen, die hormonell und auch anatomisch komplexer sind, ist von läufigkeitsunterdrückenden Spritzen oder gar einem Wegspritzen befruchteter Eizellen aus medizinischer Sicht ganz klar abzuraten.
Für heute können wir also festhalten, dass eine pauschale oder vorbeugende Kastration streng genommen rechtlich nicht erlaubt ist! Sicher gibt es Indikationen für eine Kastration. Aber eine Kastration ist wirklich keine Kleinigkeit, obwohl das häufig immer noch so dargestellt wird. Es muss immer eine wohlüberlegte Einzelfallentscheidung sein und es gilt Risiken und Nutzen gegeneinander abzuwägen. Dafür muss man sich mit dem Thema beschäftigen!
Und dazu möchte ich heute aufrufen. Es geht mir nicht darum, Kastrationen zu verteufeln oder generell abzuraten. Ich finde es aber wichtig, dass du dich informierst und dir darüber im Klaren bist, was das alles wirklich bedeutet, um dann schlussendlich eine fundierte Entscheidung treffen zu können.
Kastration ist ein komplexes - und emotionsgeladenes - Thema, das ich nicht in nur einem Artikel "schnell-schnell" abhandeln möchte. Außerdem ist es mir wichtig, sachlich und objektiv einige Fakten mit dir zu teilen, damit du dir selbst eine Meinung bilden kannst und deshalb ist hier für heute Schluss und wir lassen uns ein wenig Zeit ;-)
Im nächsten Artikel werde ich genauer auf die Auswirkungen der Kastration im Hundekörper eingehen, insbesondere bei den so häufig praktizierten Frühkastrationen, und dir dann noch einiges zum Zusammenhang von Aggressionen und Hormonen erklären. Auch die Zusammenhänge Kastration und gesundheitliche Risiken (Krebserkrankungen, Psyche, Gebärmutterentzündungen usw.) werden wir uns einmal genauer ansehen. Und schlussendlich will ich dir dann meine persönliche Meinung zu dem Ganzen auch nicht vorenthalten. Bleib gespannt :-)








